Geschichte: Der Froschkönig
Der Froschkönig
In
den alten Zeiten, lebte ein König, dessen Töchter waren alle schön;
aber die jüngste war so schön, dass sich die Sonne selber, die doch
schon so vieles gesehen hat, verwunderte, sooft sie ihr ins Gesicht
schien.
Nahe bei dem Schlosse des Königs lag ein großer, dunkler Wald,
und in dem Walde unter einer alten Linde war ein Brunnen. Wenn nun der
Tag sehr heiß war, ging das Königskind hinaus in den Wald und setzte
sich an den Rand des kühlen Brunnens, und wenn sie Langeweile hatte,
nahm sie eine goldene Kugel, warf sie in die Höhe und fing sie wieder;
und das war ihr liebstes Spielwerk.
Der Frosch, als er die Zusage erhalten hatte, tauchte seinen Kopf unter, sank hinab, und über ein Weilchen er wieder heraufgerudert, hatte die Kugel im Maul und warf sie ins Gras. Die Königstochter war voll Freude, als sie ihr schönes Spielwerk wieder erblickte, hob es auf und sprang damit fort. „Warte, warte“, rief der Frosch, „nimm mich mit, ich kann nicht so laufen wie du!“ Aber was half es ihm, dass er ihr sein „Quak Quak“ so laut nachschrie, als er konnte! Sie hörte nicht darauf, eilte nach Hause und hatte den armen Frosch vergessen, der wieder in seinen Brunnen hinabsteigen musste.
Am
andern Tage, als sie sich mit dem König und allen Hofleuten zur Tafel
gesetzt hatte und von ihrem goldenen Tellerlein aß, da kam, plitsch
platsch, plitsch platsch, etwas die Marmortreppe heraufgekrochen, und
als es oben angelangt war, klopfte es an die Tür und rief:
„Königstochter, jüngste, mach‘ mir auf“‚ Sie lief und wollte sehen, wer
draußen wäre; als sie aber aufmachte, saß der Frosch davor. Da warf sie
die Tür hastig zu, setzte sich wieder an den Tisch, und war ihr ganz
angst. Der König sah wohl, dass ihr das Herz gewaltig klopfte, und
sprach: „Mein Kind, was fürchtest du dich? Steht etwa ein Riese vor der
Tür und will dich holen?“ – „Ach nein“, antwortete sie, „es ist kein
Riese, sondern ein garstiger Frosch.“ – „Was will der Frosch von dir?“ –
„Ach lieber Vater, als ich gestern im Wald bei dem Brunnen saß und
spielte, da fiel meine goldene Kugel ins Wasser. Und weil ich so weinte,
hat sie der Frosch wieder heraufgeholt, und weil er es durchaus
verlangte, so versprach ich ihm, er solle mein Geselle werden; ich
dachte aber nimrnermehr‘ dass er aus seinem Wasser herauskönnte. Nun ist
er draußen und will zu mir herein.“ Indem klopfte es zum zweitenmal und
rief::
„Königstochter, jüngste,
Mach‘ mir auf!
Weißt du nicht, was gestern
Du zu mir gesagt
Bei dem kühlen Brunnenwasser?
Königstochter, jüngste,
Mach‘ mir auf!“
Da
sagte der König: „Was du versprochen hast, das musst du auch halten;
geh‘ nur und mach‘ ihm auf.“ Sie ging und öffnete die Tür; da hüpfte der
Frosch herein, ihr immer auf dem Fuße nach, bis zu ihrem Stuhl. Da saß
er und rief: „Heb‘ mich hinauf zu dir!“ Sie zauderte, bis es endlich der
König befahl. Als der Frosch erst auf dem Stuhle war, wollte er auf den
Tisch, und als er da saß, sprach er: „Nun schieb mir dein goldenes
Tellerlein näher, damit wir zusammen essen.“ Das tat sie zwar, aber man
sah wohl, dass sie’s nicht gern tat. Der Frosch ließ sich’s gut
schmecken, aber ihr blieb fast jedes Bißlein im Halse. Endlich sprach
er: „Ich habe mich satt gegessen und bin müde, nun trag mich in dein
Kämmerlein und mach‘ dein seiden Bettlein zurecht, da wollen wir uns
schlafen legen.“ Die Königstochter fing an zu weinen und fürchtete sich
vor dem kalten Frosch, den sie sich nicht anzurühren getraute, und der
nun in ihrem schönen, reinen Bettlein schlafen sollte. Der König aber
ward zornig und sprach: „Wer dir geholfen hat, als du in der Not warst,
den sollst du hernach nicht verachten.“ Da packte sie ihn mit zwei
Fingern, trug ihn hinauf und setzte ihn in eine Ecke. Als sie aber im
Bette lag, kam er gekrochen und sprach: „Ich bin müde, ich will schlafen
so gut wie du; heb‘ mich hinauf, oder ich sag’s deinem Vater.“ Da ward
sie erst bitterböse, holte ihn herauf, warf ihn aus allen Kräften wider
die Wand und sagte: „Nun wirst du Ruhe haben, du garstiger Frosch!“ Als
er aber herabfiel, war er kein Frosch, sondern ein Königssohn mit
schönen, freundlichen Augen. Der war nun nach ihres Vaters Willen ihr
lieber Geselle und Gemahl. Da erzählte er ihr, er wäre von einer bösen
Hexe verwünscht worden, und niemand hätte ihn aus dem Brunnen erlösen
können als sie allein, und morgen wollten sie zusammen in sein Reich
gehen. Dann schliefen sie ein, und am andern Morgen, als die Sonne sie
aufweckte, kam ein Wagen herangefahren mit acht weißen Pferden bespannt,
die hatten weiße Straußenfedern auf dem Kopfe und gingen in goldenen
Ketten, und hinten stand der Diener des jungen Königs, das war der treue
Heinrich. Der treue Heinrich hatte sich so betrübt, als sein Herr in
einen Frosch verwandelt worden war, dass er drei eiserne Bande hatte um
sein Herz legen lassen, damit es ihm nicht vor Weh und Traurigkeit
zerspränge. Der Wagen aber sollte den jungen König in sein Reich
abholen; der treue Heinrich hob beide hinein, stellte sich wieder hinten
auf und war voller Freude über die Erlösung. Und als sie ein Stück Wegs
gefahren waren, hörte der Königssohn, dass es hinter ihm krachte, als
wäre etwas zerbrochen. Da drehte er sich um und rief: „Heinrich, der
Wagen bricht!“
„Nein, Herr, der Wagen nicht,
Es ist ein Band von meinem Herzen,
Das da lag in großen Schmerzen,
Als Ihr in dem Brunnen saßt,
Als Ihr ein Frosch wart.“
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